Revidiertes Erbrecht tritt am 1.1.2023 in Kraft

Revidiertes Erbrecht tritt am 1.1.2023 in Kraft

Noch nie wurde unsere Vergänglichkeit in den Medien so vor Augen geführt wie heute. Das Thema «Erben» wird gerne hinausgezögert oder verdrängt. Doch die Nachfolge ist unbedingt zu Lebzeiten zu regeln, um vor bösen unfreiwilligen Überraschungen verschont zu bleiben.

Die Revision des Erbrechts aus dem Jahre 1917 stammend, ist schon lange überfällig.

Das Wichtigste in Kürze: 

Der Bundesrat will die erbrechtliche Handlungsfreiheit und die Unternehmensnachfolge erleichtern, um die Stabilität insbesondere von kleinen und mittleren Familienbetrieben zu erhöhen und Arbeitsplätze zu sichern.

Das EJPD wird dem Bundesrat bis Anfang 2021 die Botschaft unterbreiten. Über 99 Prozent der Unternehmen in der Schweiz sind KMU. Mehr als 80 Prozent davon sind Familienbetriebe oder Betriebe mit weniger als 10 Angestellten. Insgesamt stellen die KMU zwei Drittel der Arbeitsplätze im Land.

Gemäss einer Schätzung der Universität St. Gallen kommt es jedes Jahr bei etwa 3’400 Unternehmensnachfolgen zu Finanzierungsproblemen aufgrund erbrechtlicher Regelungen. Von diesen Problemen sind rund 48’000 Beschäftigte betroffen. 

Unternehmensnachfolge

Die vier zentralen Massnahmen, mit welchen die erbrechtliche Unternehmensnachfolge erleichtert werden soll.

  1. schafft für die Erbinnen und Erben ein Recht auf Integralzuweisung eines Unternehmens im Rahmen der Erbteilung, wenn die Erblasserin oder der Erblasser keine diesbezügliche Verfügung getroffen hat. Die Gerichte könnten also einer Erbin oder einem Erben das gesamte Unternehmen zuweisen, wenn eine Erbin oder ein Erbe dies verlangt. Damit soll insbesondere die Zerstückelung oder Schliessung von Unternehmen verhindert werden.
  2. führt zugunsten der Unternehmensnachfolgerin oder des Unternehmensnachfolgers die Möglichkeit ein, von den anderen Erbinnen und Erben einen Zahlungsaufschub zu erhalten, namentlich um schwerwiegende Liquiditätsprobleme zu vermeiden.
  3. legt spezifische Regeln für den Anrechnungswert des Unternehmens fest, indem der Wert des Unternehmens zum Zeitpunkt der Übertragung und nicht mehr derjenige zum Zeitpunkt des Erbgangs massgeblich sein soll; dabei unterscheidet der Vorentwurf ausserdem zwischen betriebsnotwendigen und nicht betriebsnotwendigen Vermögensteilen. Damit soll dem unternehmerischen Risiko Rechnung getragen werden, dass die Unternehmensnachfolgerin oder der Unternehmensnachfolger auf sich nimmt; gleichzeitig werden die anderen Erbinnen und Erben hinsichtlich der Vermögensgegenstände, die sich ohne Weiteres aus dem Unternehmen herauslösen lassen, nicht benachteiligt.
  4. schliesslich ein verstärkter Schutz der pflichtteilsberechtigten Erbinnen und Erben eingeführt, indem ausgeschlossen wird, dass ihnen ihr Pflichtteil gegen ihren Willen in Form von einem Minderheitsanteil an einem Unternehmen zugewiesen werden kann, wenn eine andere Erbin oder ein anderer Erbe die Kontrolle über dieses Unternehmen ausübt.

Die wesentlichen weiteren Änderungen und Konsequenzen

  • Der bisherige Pflichtteil der Nachkommen wird um einen Viertel reduziert -> neu ½ statt bisher ¾ des gesetzlichen Erbanspruchs
  • Die Elternpflichtteile werden abgeschafft
  • Der Erblasser kann damit freier bestimmen, wer nach seinem Tod wieviel von seinem Nachlass erhält.
  • Der gesetzliche Pflichtteil des Ehegatten bzw. eingetragenen Partners bleibt unverändert.
  • Wer in Scheidung oder Auflösungsverfahren ist, verliert den Pflichtteil gegenüber dem Noch-Ehegatten.
  • Ab dem Zeitpunkt eines laufenden Scheidungsverfahrens entfällt der Pflichtteil, sofern die Ehepartner ein gemeinsames Scheidungsbegehren gestellt haben oder seit mindestens zwei Jahren getrennt leben. Dasselbe gilt während eines Verfahrens zur Auflösung der eingetragenen Partnerschaft. Taktieren zwecks Verzögerung des Verfahrens wird damit verhindert.
  • Bisher offene Fragen bei der Berechnung der Erbmasse werden mit dem neuen Gesetz beantwortet
  • Die gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a) bildet nicht Teil des Nachlasses, unterliegt aber bei Verletzung von Pflichtteilen der Herabsetzung. Ebenso unterliegen güterrechtliche Begünstigungen des überlebenden Ehegatten/eingetragenen Partners in einem Ehe- oder Vermögensvertrag nicht Teil des Nachlasses, unterliegen aber bei Verletzung von Pflichtteilen der Herabsetzung. Damit werden bisher offene Fragen bei der Berechnung der Erbmasse geklärt.
  • Die oft genutzte Nutzniessung (ZGB 473), die der Erblasser seinem überlebenden Ehegatten gegenüber den gemeinsamen Nachkommen auf dem ihnen zufallenden Erbteil zuwendet, erfährt ebenfalls eine Anpassung an das veränderte Pflichtteilsrecht. Neben dieser Nutzniessung kann nämlich der Erblasser neu die Hälfte des Nachlasses zum Beispiel seinem Ehegatten zuwenden.

Was ist zu tun:

Die «Alte» und «neue» Freiheit des Erblassers kommt nicht automatisch zum Tragen. Er muss zu Lebzeiten Vorkehrungen treffen. Denn die gesetzlichen Erbteile bleiben auch im neuen Erbrecht unverändert.

Gesenkt oder abgeschafft werden nur die Pflichtteile.

Hinterlässt der Erblasser weder Testament noch Erbvertrag, in denen er einzelne Personen oder Institutionen begünstigt, wird das Erbe wie bisher verteilt. Proaktive und sinnvolle Lösungen lassen sich zu Lebzeiten unter Einbezug aller Beteiligten in die Nachlassplanung und sie sogar auf einen Teil oder den ganzen Pflichtteil verzichten zu lassen, sofern eine faire Gesamtlösung umgesetzt wird, finden.

  • Testament oder Erbvertrag verfassen und bestehende Regelungen überprüfen und bei Bedarf anpassen.
  • In diesem Zusammenhang sollte auch unbedingt ein Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung erstellt werden.

 Mit dem Vorsorgeauftrag behält eine Ihnen vertraute Person die Fäden in der Hand.

Ein Vorsorgeauftrag eignet sich für ältere, aber auch jüngere Personen. Denn eine Urteilsunfähigkeit kann infolge von Altersschwäche, einer schweren Krankheit aber auch infolge eines Unfalls eintreten. Kümmern Sie sich deshalb rechtzeitig darum, dass ihre privaten Angelegenheiten von ihrer Familie und nicht der KESB wahrgenommen werden.

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